Saisonales Gemüse im Winter: Geht das überhaupt?
Auberginen im März? Spitzkohl im November? Im Supermarkt gibt es fast jedes Gemüse das ganze Jahr über zu kaufen. Da soll man noch ein Gefühl dafür haben, wann welches Gemüse Saison hat. Erst recht ohne eigenen Garten. Die Kartoffeln kommen dann halt aus Ägypten, die Tomaten aus Holland, die Erdbeeren aus Spanien und der Spargel aus Peru. Dass das alles andere als saisonales Gemüse und damit umweltfreundlich ist, leuchtet eigentlich gleich ein. Gleichzeitig geht so viel von der Vielfalt unseres heimischen Gemüses verloren. Ich wette, Sie haben noch nie lila Blumenkohl im Laden gesehen. Ich auch nicht. Wenn Sie also das nächste Mal den Verkäufer ansprechen, fragen Sie bei dieser Gelegenheit doch gleich mal nach Gelber Bete, Haferwurzel oder Dicken Bohnen.
Als Orientierungshilfe in Sachen saisonales Gemüse dienen „Gemüse-Saisonkalender“, die heimische Gemüsearten aufzählen und darüber Auskunft geben, wann diese reif sind, also gerade „Saison haben“. Und was sagt uns der Saisonkalender für Gemüse bei Hortipendium zur Winterzeit? Dass ab Anfang Oktober bis Mitte November frische hiesige Knollensellerie in den Handel kommen! Als Lagerware gibt es sie durchgängig bis Mai zu kaufen. Und damit wird die dicke Knolle erster Kandidat auf unserer Entdeckungsreise in Sachen Winter-Gemüse.
Winter-Gemüse #1: Knollensellerie
Zugegeben, Knollensellerie sieht erst mal so sexy aus wie ihr Name klingt. Sie erinnert an das farblose Mädchen aus unserer Schulklasse, dessen Namen man zwar kennt, das einen aber sonst nicht „die Bohne“ interessiert hat. Mit ein wenig Einfühlungsvermögen aber zeigt sich, dass allerhand in unserem Wurzelgemüse steckt, was man zunächst nicht vermutet hätte – und zwar geschmacklich von deftig bis delikat. Glauben Sie nicht? Dann schauen wir uns die olle Knolle doch mal genauer an …
Knollensellerie ist kein junges Gemüse. Aus einer heimischen Wildform kultiviert, wurde sie schon in traditionellen Bauerngärten angebaut. Wegen ihrer langen Reifezeit wird Knollensellerie (später als andere Wurzelgemüse) erst im Herbst geerntet. Dank ihrer guten Lagerfähigkeit wird sie seit jeher als Winter-Gemüse geschätzt.
Sie habe einen „Platz unter den vorzüglichsten Küchenkräutern erhalten“, nachdem ihre Wildform mit dem botanischen Namen „Apium graveolens“ nach und nach in die Gärten gebracht und durch ihre Kultur veredelt wurde. Das steht nicht im Gemüse-Saisonkalender, sondern in der „Oekonomischen Encyclopädie“ von D. Johann Georg Krünitz. Die wilde Sellerie wiederum stammt aus Europa, wo sie an Quellen und an feuchten Orten, vorzüglich in der Nähe des Meeres, zum Beispiel in England und Deutschland, angetroffen wird.
Heute unterscheidet man je nach Zuchtform zwischen Knollensellerie und Staudensellerie. Als typisches Winter-Gemüse interessiert uns die Knollensellerie, die zum Wurzelgemüse zählt. Für die historische Einteilung der Gemüsearten in Wurzelgemüse, Blatt-, Kohl-, Zwiebel- und Fruchtgemüse sowie Hülsenfrüchte ist übrigens die Verwendung in der Küche ausschlaggebend. Entscheidend also ist, was man isst. Und das sind beim Wurzelgemüse eben die verdickten Wurzeln oder Knollen.
Soweit zur Theorie …
Die Praxis: Was mache ich mit Knollensellerie?
Hierzu fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker den Food-Blogger oder Kochbuchautor Ihres Vertrauens. Rezepte für Gemüse, die im Winter Saison haben, finden sich in Rezeptforen, Kochbüchern, Koch- und Biomarktzeitschriften der jeweiligen Saison und in den unzähligen kulinarischen Blogs, die das Internet bevölkern. Inklusive meinem.
Prinzipiell gilt:
Schälen ist schon mal ein guter Anfang.
Wenn Ihnen dann die Zeit zum Kochen fehlt, schneiden Sie die Sellerieknolle in Würfel und geben sie diese in eine ofenfeste Form. Träufeln Sie Öl darüber, würzen Sie mit etwas Salz und frisch gemahlenem Pfeffer und backen Sie das Ganze als Ofengemüse im Backofen – erst abgedeckt für ca. 20 Minuten, dann offen für weitere 15-20 Minuten bei 230 °C. Anschließend genießen Sie die Knolle appetitlich gebräunt, betörend duftend und butterweich …
Aber es geht auch raffinierter. Mein erstes AHA-Erlebnis in Sachen Knollensellerie hatte ich vor etwa zehn Jahren beim Ausprobieren eines Rezepts aus dem „Für Sie“-Kochbuch.
Panieren
In Scheiben geschnitten und kurz vorgegart, lassen sich Sellerie hervorragend panieren und in der Pfanne braten. Meine damalige Panade bestand aus Mehl, einer Emulsion von Sojasoße und Ei, gefolgt von Sesamsamen. Genauso gut kann man aber mit zerhacktem Zwieback oder klassisch mit Semmelbrösel panieren.
Raspeln
Knollensellerie lässt sich prima auf einer groben Reibe raspeln. Daraus ergeben sich diverse Verwendungsmöglichkeiten. Zum Beispiel im Waldorfsalat oder als Gemüserösti (wie dieses Rezept für Süßkartoffel-Sellerie-Rösti aus meiner Versuchsküche).
Hobeln/würfeln
In dünne Scheiben gehobelt, kann man Knollensellerie gut als Salat essen. Zum Beispiel mit Walnüssen oder Äpfeln kombiniert. Eventuell muss man dann etwas vorgaren und/oder marinieren.
Selleriewürfel gehören übrigens zusammen mit Karotten und Petersilienwurzeln an jede gute Brühe. Kein Wunder also, dass Knollensellerie fester Bestandteil des so genannten „Suppengrüns“ ist.
Pürieren/stampfen
Ofengebackene oder vorgegarte Knollensellerie kann man pürieren und auf vielfältige Weise weiterverarbeiten. Das funktioniert auch mit anderem Wurzelgemüse. Denkbar ist vieles, was mit Kartoffelpüree genauso geht. Apropos Kartoffelpüree … Pürees mit Sellerie sind (pur oder gemischt) wahre Seelentröster und perfekte Begleiter zu Rind, Ente oder Wild (siehe mein Rezept für Kartoffel-Karotten-Sellerie-Püree).Einfachster Anwendungsfall für pürierte Sellerie ist allerdings Selleriesuppe. Diese taucht gleichermaßen in uralten und trendigen Veggie-Kochbüchern auf. Ein Klassiker halt. Muss ich auch mal machen.
Raffinierter wird es, wenn Sie Pürees als Füllung verwenden. Beispielsweise für Cannelloni (siehe mein Rezept für Sellerie-Esskastanien-Cannelloni) oder für Knödel.
Mit gebratenem Speck und passenden Kräutern kombiniert, stelle ich mir das spannend vor. Leider mag mein Gemahl keinen Speck. Deshalb überlasse ich Ihnen das Ausprobieren. Oder versuchen Sie mal Sellerie-Nocken bzw. -klößchen als Suppeneinlage. Oder reichern Sie Ihren Kloßteig mit Selleriepüree an. Müsste klappen! Schmecken sowieso.
Für Sie probiert: Sellerie-Ziegenfrischkäse-Soufflé und Sellerie-Buchweizen-Bratlinge
Noch ein Rezept für Gemüse im Winter: Ich habe mich natürlich nicht lumpen lassen und extra für alle, die auch im Winter Gemüse aus der Region essen, eine stattliche Knollensellerie (knapp 1 Kilogramm) als Experimentierobjekt gekauft. Wie es meine Art beim experimentellen Kochen ist, habe ich mir vorab nicht allzu viele Gedanken über das Endprodukt gemacht, sondern mich lieber Schritt für Schritt von Inspiration und Vorratsschrank leiten lassen.
In einem ersten Schritt habe ich das gute Stück geschält, grob zerteilt und im Ofen gebacken. Allerdings ohne jegliches Gewürz, um mir alle Optionen offenzuhalten. Weil in meinem Geiste ein herzhaftes und ein süßes Soufflé waberten, habe ich mich erstmal an der herzhaften Variante versucht.
Ich habe die Ofensellerie erst püriert. Dann habe ich die halbe Menge mit 100 Gramm Ziegenfrischkäse, einem halben Teelöffel in der Pfanne gerösteten Schwarzen Senfsamen (Achtung, die springen gerne raus), einem Spritzer Zitrone, Salz und frisch gemahlenem Pfeffer verrührt. Dazu habe ich die für ein Soufflé unerlässlichen Eigelb untergemengt (drei an der Zahl). Das gekühlte Eiweiß habe ich mit einem Schlückchen Mineralwasser und einer Prise Salz steif geschlagen und anschließend untergehoben. Zuvor hatte ich die Rührwendel kurz ins Eisfach gepackt. Je kälter, desto stabiler ist der Eischnee. Sagt man.
So, das Ganze wurde ein Wettlauf gegen die Schwerkraft und die einsetzende Dämmerung. Schließlich wollte ich ja nicht nur ein luftiges Soufflé, sondern auch ein brauchbares Beweisfoto.
Zum Glück ging alles gut und der Teig brav auf. Das resultierende Soufflé war saftig, ließ sich aus dem Förmchen stürzen und schmeckte warm und kalt sehr gut. Das Rezept muss ich mir merken. Das nächste Picknick kommt bestimmt.
Die zweite Hälfte des Selleriepürees habe ich am nächsten Tag dann doch nicht süß souffliert, wie ich es erst geplant hatte. Stattdessen habe ich es spontan mit geröstetem Buchweizen, Zitronenabrieb und Estragon zu Buletten verbraten. Mein Herr Schatz war nicht ganz überzeugt, aber mir haben sie geschmeckt.
Mein Fazit: Probieren Sie das Ganze gerne aus oder kreieren Sie Ihre eigenen Varianten! Kleiner Tipp: Was Knollensellerie vor allem braucht, ist ein kreativer Geist und einen gesunden Appetit …
Wintergemüse aus dem Garten
Besseres saisonales Gemüse als aus dem eigenen Garten gibt es nicht. Falls Sie also einen Garten haben und dort Knollensellerie anbauen möchten, achten Sie beim Kauf bitte auf samenfeste Sorten (diese sollten reproduzierbar sein, keine Hybriden). Nehmen Sie sich die zeitlose Empfehlung von „Merck’s Warenlexikon“ von 1884 zu Herzen, die ich der dritten Auflage von 1884 (Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig) entnommen habe:
„Der sehr feine Samen, ein- bis dreijährig, wird in Mistbeeten gesät, möglichst früh; im April oder Mai pflanzt man aus in gut vorbereitetes mürbes Land in Abständen von 50 cm. Die Pflege erstreckt sich auf öfteres Behacken, fleißiges Begießen und Entfernen welker Blätter; im August entfernt man alle Seitenwurzeln; im Herbst nimmt man die Knollen heraus und schlägt sie in Kellern oder Gruben ein; auch kann man über Winter die Pflanzen in Kästen an warmem Platze halten.“
Am besten gedeihen Sellerieknollen an sonnigen Standorten. Sie vertragen aber auch halbschattige Standorte. Knollensellerie übersteht leichte Fröste, ist aber nicht winterhart. Er wird im Herbst geerntet, wenn die Knollen eine Größe von mindestens zehn Zentimeter erreicht haben. Anschließend wird er eingelagert. Der Samen bleibt zwei bis drei Jahre keimfähig.
Noch Fragen? Nein? Dann an die Knolle, fertig, los!
* Bei der Förderung, dem Transport und der Verbrennung des an den Kunden jährlich vertraglich gelieferten Erdgases entstehen unvermeidbare umweltbelastende CO₂-Emissionen. ENTEGA stellt aus diesem Grund – abhängig vom jährlichen Ökogasabsatz – Finanzmittel für zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung und leistet hierdurch einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der weltweiten Klimaziele. Weitere Informationen finden Sie unter entega.de/klimaschutzbeitrag.